“Emotion Revolution 2025 – Overcoming Challenges” - Erfahrungsbericht
Nun regnet es endlich in Bergen, der regenreichsten Stadt in Norwegen. Drei Tag der Emotion Revolution liegen hinter mir gefüllt mit Sonnenschein, Frühlingsstimmung, einer Fülle an Inspiration, Verbindungen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede - alles rund um Emotionen. Wir haben viel gelacht, geweint, zugehört, voller Freude, Neugierde, Anspannung, mit Scham, Unsicherheiten und den eigenen Blockaden. Aber gehen wir noch mal an den Anfang: „Emotion Revolution - Overcoming Challenges“ war das Motto der diesjährigen Konferenz. Die erste Emotion Revolution Konferenz fand vor der Pandemie statt und sollte eigentlich alle zwei Jahre stattfinden. Dann kam alles anders. Herausforderungen. Die kenne ich nur zu gut. Die Momente in denen sich alles in mir zusammen zieht, ich feststecke, frustriert bin und der Zweifel in mir steigt. Ich bin gespannt was Les Greenberg, Ann Wieser Cornell, Nancy McWilliams, Allan Abbas und Mark Solms zu sagen haben. Humanistische Ansätze treffen auf psychodynamische Ansätze. Kann das gut gehen? Eigentlich habe ich keine Lust auf Grabenkämpfe, doch das Interesse und die Neugierde überwiegen. Ich bin froh, vertraute Menschen aus der deutschen Community zu treffen: bin ich doch nicht alleine in der großen weiten Welt hoch im Norden.
Wir betreten die Kongresshalle „Grieghallen“ und ich sehe junge Menschen die sich dehnen und strecken. Eine junge Frau, die aussieht als hätte sie gleich eine Panikattacke. Ein junger Mann der sie hält und umarmt. Was ist hier los? Bin ich falsch abgebogen? Ich nehme meinen Platz ein, die Lichter dimmen sich und die Musik von Harry Styles „Fine Line“ beginnt zu spielen. Junge Leute kommen auf die Bühne und es beginnt eine bewegende Tanzperformance. Schon jetzt bin ich berührt von dem nonverbalen Ausdruck an Emotionen: Berührungen, Kämpfe, Widersprüche in einem ästhetischen Ausdruck von Emotionen in all der Vielfalt. Als nächstes betreten unsere Gastgeber und Organisatoren Anne Hilde Vassbø Hagen und Jan Reidar Stiegler die Bühne. Mit ihrer Begrüßung beschreiben sie das Bedürfnis sich in die Emotionen hineinzubegeben mit Neugierde und Hingabe, sowie dem Bedürfnis des Gegenübers nach Distanz, wenn es zu nah wird. Der Tanz zwischen Klient*in und Therapeut*in nach Nähe und Distanz, der immer wieder in (therapeutischen) Beziehung stattfindet. Ich fühl mich ertappt, muss lachen und lehne mich entspannt zurück. Jetzt gerade bin ich nicht gefordert und kann einfach mal aufnehmen.
Die Keynote Speaker betreten nacheinander die Bühne und sprechen in den kommenden drei Tagen über therapeutische Hindernisse. Leslie Greenberg eröffnet den Kongress und spricht über die Arbeit mit selbstunterbrechenden Prozessen und später über die Arbeit mit Scham in der Therapie. Selbstunterbrechenden Prozessen und Momente des Schamerlebens begegnen mir in der therapeutischen Arbeit so häufig. Die EFT hilft mir immer wieder aufs Neue, diese Prozesse zu sehen und mit ihnen zu arbeiten. Les zuzuhören ist immer wieder faszinierend und lehrreich. Zu sehen, wie er mit emphatischen Reaktionen Verbindungen aufbaut, mit Emotionen in der Therapie arbeitet und Veränderungen begleitet. Ich bin froh, dass ich mit der EFT meine therapeutische Heimat gefunden habe.
Als nächstes betritt Nancy McWilliams in ihrem neu erstandenen Norweger Pullover die Bühne. Ich kenne sie noch aus der APA-Videoserie „Three Approaches to Psychotherapy With a Male Client“ in der sie, Les Greenberg und Judith Beck mit demselben Klienten arbeiten und ihre jeweilige therapeutische Methode vorstellen. Später in der Podiumsdiskussion nimmt Les Bezug auf das Video und die gemeinsame Erfahrung und spricht seine Anerkennung für ihre Arbeit mit dem Klienten aus. Keine Grabenkämpfe, sondern Worte der Wertschätzung und Anerkennung. In ihrem Vortrag betont sie, wie wichtig die Verbindung in der Therapie ist. Sie erinnert daran, dass Klienten wegen ihren Schwierigkeiten mit Emotionen in die Therapie kommen und nicht nach einem Kochrezept behandelt werden möchten und dass die therapeutische Arbeit manchmal ganz schön einsam sein kann. Ich fühl mich verstanden und schaue mich um in dem vollen Saal der Grieghallen. Vielleicht fühlt sich auch jemand in diesem Saal so wie ich. Sie endet ihren Vortrag mit: “In a miserable state with a patient, I wish you look back someday and say “and maybe it was funny”.” Mit Leichtigkeit auf die therapeutische Berufslaufbahn zurückzublicken ist ein schöner Ausblick - trotz der Schwierigkeiten und Hindernisse, die sich in der therapeutischen Arbeit manchmal auftuen.
Vor dem Vortrag von Allan Abbas habe ich etwas Angst. Ich habe diverse Reaktionen gehört, die in alle Richtungen gehen. Von faszinierend und überzeugend bis hin zu “ich habe den Raum verlassen”. Ich bleibe sitzen und sehe wie er mit einer Ruhe und Gelassenheit Klienten mit psychosomatischen Beschwerden begleitet. Genau wie Les später in der Podiumsdiskussion anmerkt, verstehe ich nicht, was genau er macht, aber das Veränderungen passieren und er Menschen hilft, ihre Stimme wiederzufinden oder Menschen in ihrer Verletzlichkeit begleitet. Ich bin froh, dass es eine Vielzahl an Therapeuten gibt die Menschen in schwierigen Momenten begleiten und unterstützen.
Als Ann Wieser Cornell auf die Bühne tritt schwebt sie in einer Ruhe über das Parkett und verkörpert das Focusing in Wort und Sprache: “Ich bin die Zuhörerin für ihn. Er ist der Zuhörer für sich.” beschreibt sie den Focusing Prozess beim Zeigen eines Klientenvideos. Durch ihren Vortrag wird mir noch mal mehr bewusst, wie fein und wichtig Sprache ist. Worte bringen Lebendigkeit in den Raum, die Möglichkeiten der Entwicklung bringen. Das “Etwas”, das in dem Moment auftritt, in dem es da ist und die therapeutische Begleitung mit dem “Etwas” zu sein. Eine Einladung, wie “Lass es für den Moment keine Worte haben.” eröffnet neue Möglichkeiten mit Hindernissen zu sein und zu überwinden.
Mark Solms bringt die neurobiologische Komponente in die Konferenz hinein. Mit seinem Ansatz verbindet er Psychoanalyse und Neurowissenschaft. Er zeigt auf, wie bedeutsam Bedürfnisse sind, sowie die subjektive Erfahrung, wenn Bedürfnisse (nicht) erfüllt werden. Dieses kann ein lebenslanger Lernprozess sein, der immer wieder durch Erfahrungen geprägt wird. Er zeigt auf wie Hindernisse und Abwehrmechanismen neurobiologisch auftreten und sich in Form eines alten Freundes zeigen, der aus der Vergangenheit kommt. Ich bin fasziniert, wie frei und eloquent er seinen Vortrag gestaltet. Später fasst er die Tage der Konferenz zusammen: “Wir haben Unterschiede, aber das heißt nicht, dass die anderen falsch liegen.”
Neben den Keynote Speakern gibt es Vorträge, die sich auf unterschiedliche Themengebiete verteilen. Ich besuche den Vortrag “My Shame - Their Apology – How parent-child relationships create and heal emotional wounds” von Nadia Ansas. Nadia erzählt ihre persönliche Geschichte und teilt ihre Erfahrungen mit EFT und EFST mit uns. Wir haben mit ihr gelacht und mit ihr geweint, ich war zutiefst berührt und Wellen von Schmerz und Mitgefühl flossen nur so aus mir heraus. Vielen Dank Nadia für deine Verletzlichkeit und deinen Mut. Du hast mir gezeigt, dass die emotionale Arbeit so viele Möglichkeiten der Heilung bringt - trotz der vielen (menschlichen) Hindernisse.
Wenn ihr einen kleinen Einblick von dem Vortrag von Nadia Ansas bekommen möchtet, hört euch die Podcastfolge an: https://open.spotify.com: “My Shame”
Ein besonderes Schmankerl möchte ich noch mit euch teilen. Aksel Sinding hat bereits auf der iSEFT Konferenz in Porto sein musikalischen Talent gezeigt und auch hier in Bergen einen Song über die verschiedenen therapeutischen Ansätze geschrieben: https://www.youtube.com: “The day my feelings died”
Einfach zuhören und genießen.
Am Ende der Konferenz betont Les Greenberg, dass wir weg von den therapeutischen Schulen hin zu der Beforschung von Phänomenen kommen und Emotionen in den Mittelpunkt des therapeutischen Handelns setzen sollten. Die Konferenz hat mir viele Phänomene und Möglichkeiten aufgezeigt, wie Unterschiede und Hindernisse überwunden werden können. Vielen Dank für die wunderbaren Tage auf der Emotion Revolution. Vielen Dank an Anne Hilde und Jan und ALLE Mitwirkenden für die leichten und inspirierenden Tage, euren Humor, eure Kreativität und eure Menschlichkeit. Miteinander lernen macht so viel Spaß und ihr habt mir wieder einmal gezeigt, dass Emotionen verbinden - auch über den therapeutischen Raum hinaus. Und vielen Dank an Norwegen für die Sonne und den Regen.
Ich freu mich auf ein Wiedersehen!
Diana Weiß